Ortsmuseum Höngg | Museum Zürich | Sonderausstellung 8000 Jahre Weinbau in Georgien (verlängert bis Mai 2024)
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Sonderausstellung 8000 Jahre Weinbau in Georgien (verlängert bis Mai 2024)

Sonderausstellung: Weinland Georgien

07 Mai Sonderausstellung 8000 Jahre Weinbau in Georgien (verlängert bis Mai 2024)

8000 Jahre Weinbau in Georgien

Das Ortsmuseum zeigt dieses Jahr eine Ausstellung zum Weinbau und seiner Tradition in Georgien. Initiiert wurde die Ausstellung von der Geohaus GmbH (in Höngg ansässig), der georgischen Botschaft in der Schweiz sowie der georgischen Weinagentur.

Gezeigt wird viel Wissenswertes zur Geschichte des Weinbaus in Georgien von 6000 v.Chr. bis heute. Dabei, zum Unterschied zur hiesigen Weinkultur, kommen Fässer kaum zum Einsatz. Die Trauben werden in einer Art Einbaum gestampft.

Gelagert wird der Traubenmost zur Gärung in Tongefässen, die  in die Erde eingegraben sind.

Anlässlich der Vernissage der Ausstellung «8000 Jahre Weinbau in Georgien» wurden drei georgische Jungreben gesetzt, die den seit 2008 bestehenden Rebberg «Zum Chranz» mit den Traubensorten «Prior» und «Cabernet Cortis» in seiner unmittelbaren Nähe bereichern werden. Am Freitag, 6. Mai, haben diese drei autochthonen Reben auf der Südseite des Waschhäuschens des Ortsmuseums ihren bleibenden Standort gefunden.

Von der Delegation aus Georgien und unter Mitwirkung von Mitgliedern der Höngger Rebbaugruppe «Zum Chranz» wurden feierlich eingepflanzt:

Saperavi Budeshuri (N), GEO, V. vinifera   საფერავი ბუდეშური

Shavkapito (N), GEO, V. vinifera L.   შავკაპიტო

Chkhaveri (R) GEO, V. vinifera L.   ჩხავერი

Zum angemessenen Empfang der drei Jungreben wurde der traditionelle, stets wachstumsfördernde Trinkspruch der Rebbaugruppe «Zum Chranz» sowohl von den Hönggern wie auch von den Georgiern ausgerufen: «Oechsle hoch-hoch-hoch». In diesem Sinne wünschte man gemeinsam den drei Neulingen eine fruchtbare Zukunft.

Die Ausstellung ist offen zu den ordentlichen Öffnungszeiten des Ortsmuseums.

Es können Gruppenführungen mit Weindegustation gebucht werden unter info@geohaus.ch

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Text von Werner Pflanzer und Max Furrer

 

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Erläuterungen von Christian Schorno, Leiter Ortsmuseum Höngg, für die Vernissage der Ausstellung:

Für das Ortsmuseum Höngg ist die Ausstellung «8000 Jahre Weinbau in Georgien» eine Besonderheit. Sie fällt zweifach aus dem Rahmen. Erstens ist Weinbau in Georgien kein lokales Ausstellungsthema und zweitens umspannt die Ausstellung einen für uns ungewohnten Zeitrahmen.

Das Ortsmuseum Höngg ist eines von sieben Ortsmuseen in der Stadt Zürich, ein Heimatmuseum mit starkem Bezug zur Lokalgeschichte. Höngg hat sich in den letzten 200 Jahren mit höllischer Geschwindigkeit verändert. Es wurde vom Weindorf zum Wohnquartier. Früher war es geprägt von Weinbauern heute von Pendlerinnen und Pendlern.

Als historisches und lokales Museum bietet unser Ortsmuseum vor allem Einblicke in die Geschichte des heutigen Stadt- und Wohnquartiers Höngg. Wie jedes historische Museum schlägt auch unser Haus Brücken zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Setzen Sie einen Fuss über unsere Schwelle, dann dreht die imaginäre Uhr sich zurück in eine andere Zeit bzw. in andere Zeiten. Ein Museum ist eine Zeitmaschine.

Hätte ich eine Zeitmaschine in der Hand, mit der ich Sie um etwa 150 Jahre zurückversetzen könnte, so stünden Sie mitten in einem Weinbaudorf, wo sich Alltag und Jahresrhythmus der Leute ganz um den Rebbau drehen. Hier lebten viele Menschen für den Wein.

Rudolf Grossmann-Steffen, der im Haus des Ortsmuseums aufgewachsen ist, hat 1942 über die Zeit von 1880 bis 1900 Erinnerungen aufgeschrieben. Er machte in seinen Aufzeichnungen deutlich, wie sehr sich das Leben  in Höngg um den Wein gedreht hat: «Über aller anderen Arbeit des Höngger Bauern […] stand das Rebwerk. Das Rebwerk füllte das Jahr vom Februar bis in den Herbst, und nur zwischenhinein, im Juni während des Rebenblühets wurde geheuert und im August geerntet, d.h. der zweite Grasschnitt und das Getreide eingebracht. Nach dem Wümmet und Keltern des Weines kam das Heimholen der Kartoffeln, Rüben, Räben und Runkelrüben.» In diesen wenigen Worten lesen wir, wie sich alle Verrichtungen des Menschen um den natürlichen Rhythmus der Traube schmiegten.

Man meint, die Traube sei eine Nutzpflanze des Menschen, man meint, der Mensch habe die wilde Traube domestiziert und sich untertan gemacht. Doch mein Eindruck ist, dass diese Pflanze wie ein schlecht erzogenes Haustier ist. Sie zwingt dem Menschen einen Rhythmus auf, wie wenn meine Katze mich am Morgen weckt, weil sie hungrig ist. Hinzu kam ihre fast grausame Abhängigkeit von Wetter, Frost und Schädlingen. Falsche Witterung, zu wenig Sonne zur rechten Zeit oder ein neuer eingeschleppter Schädling – und die Rebe streikt!

Nun, mit der Ausstellung «8000 Jahre Weinbau in Georgien» üben wir uns in einer neuen Disziplin. Wir sind als Museum nicht nur eine Zeitmaschine, um in die Vergangenheit zu reisen, wir sind auch eine Raummaschine, mit der wir uns an einen sehr entfernten Ort begeben können. Dieser Ort, Georgien, ist mit unserem verbunden, weil dort der Rebbau erfunden wurde – zur Zeit als der Mensch im fruchtbaren Halbmond und nördlich davon sesshaft geworden ist und begann, Ackerbau und eben auch Weinbau zu treiben.

Mit dieser Ausstellung zeigen wir im Ortsmuseum die Vorgeschichte unserer eigenen Geschichte. Unsere hiesige Weingeschichte reicht nur ein paar Hundert Jahre zurück. Wir Hönggerinnen und Höngger rechnen in Jahrhunderten, Georgien in Jahrtausenden! Wir sind beeindruckt. Ihre Geschichte reicht zurück in die Zeit der neolithischen Revolution, als die Menschen sesshaft wurden und herausgefunden haben, wie sie eine betörende Frucht als Saft konservieren konnten.

Ich möchte einen Dank an unsere Kuratoren Max Furrer und Werner Pflanzer aussprechen, ohne deren persönliches Engagement die Ausstellung nicht zustande oder nicht pünktlich zu stande gekommen wäre. Ich möchte auch den Personen danken, die es möglich gemacht haben, dass wir so eindrucksvolle Exponate ausstellen dürfen, Herrn Zviad Arabidze von Geohaus GmbH und der National Wine Agency in Tbilisi.

Wenn wir in ein Museum gehen oder im Kopf Zeit- und Raumreisen unternehmen, dann tun wir dies meistens nicht allein wegen der Verklärung der Vergangenheit oder anderer Kulturen, sondern weil wir uns um die eigene Zukunft sorgen, weil wir in der Gegenwart die Zukunft umsichtig gestalten wollen. Ich habe verstanden, dass Georgien nicht nur ein Land mit 8000 jähriger Vergangenheit ist, sondern ein Land im Aufbruch. Sein Wein soll zu gegenwärtigem und hoffentlich künftigem Wohlstand beitragen. Ich wünsche Georgien von Herzen, dass seine Weine auf dem internationalen Markt reüssieren und dass dabei die alte und sehr beeindruckende Reb- und Weinkultur nicht unter die Räder der Globalisierung kommt.